MINNE GRAW - HEIMSEITE

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2006
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Die Texte
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DAS BIN ICH

Geboren am Sonntag, den 7. September anno 1952 morgens um 7:07 in einem kleinen Schwarzwaldhäuschen in Ebnet bei Freiburg im Breisgau als echte Hausgeburt mithilfe einer ebenso echten Hebamme. --- Unsere damaligen Verhältnisse könnte man durchaus als nicht gerade luxuriös bezeichnen. Bezeichnend dafür: Die mehr als ungebetenen Untermieter, eine mehrköpfige Rattenfamilie, die mir an die Baby-Wäsche wollte. Meine Mutter hat sie in ihrer Not todesmutig in der Zinkbadewanne ertränkt (wenn es mir damals möglich gewesen wäre, hätte ich die armen Tiere vermutlich vor ihrem schrecklichen Schicksal bewahrt). Außer Ratten gab es also nicht viel --- außer Kunst...

Apropos Kunst --- Minne ist kein Künstlername --- ich habe Beweise!

1953/55 mit den Eltern von Freiburg über Kaiserslautern nach Hamburg gekommen und zu meinem Vorteil auch dort geblieben.

1958 Trennung der Eltern. Nach einem Versuch meiner Mutter im Alleingang ging es 1960 zurück in den Schoß der Familie.

Von da an aufgewachsen in einer echten "Künstler-Großfamilie" --- mit Großmutter (hat recht gut Klavier gespielt), Mutter (studierte Opernsängerin, Grafikerin, Klavier- und Gesangslehrerin), Onkel (Chor- und Orchesterdirigent, Universitätsmusikdirektor), Tante (Chorsängerin) und zeitweise bis zu sechs vom Staat zugewiesenen Untermietern (dieses Mal menschlicher Art --- ja, ja, so war das damals...), deren musikalische Fähigkeiten mir allerdings unbekannt und vielleicht auch erspart geblieben sind.

Inhalt AUSBILDUNG

Beinahe wäre ich in einer Waldorf-Schule gelandet, aber dann entschieden meine Eltern sich (glücklicherweise?) doch für die klassische Form der Grundschule in HH-Reinbek. Nach der elterlichen Trennung ging ich in HH-Eppendorf zur Schule (sehr gute Schülerin).

Am Mädchen-Gymnasium (das prägt...) an der Curschmannstraße bis zur 10. Klasse (freiwillige Ehrenrunde in der 10. Klasse, mehr als erfolglos, also sehr schlechte Schülerin).

Ein letztes schulisches Aufbäumen am Walddörfer-Gymnasium --- Ergebnis: Die Mittlere Reife mit vier Fünfen im Zeugnis, aber nur unter der Bedingung, bestimmt nie wieder ein Gymnasium zu besuchen! Immerhin habe ich trotzdem das "Kleine Latinum"!!!

Ein Jahr Privatschule für Malerei und Grafik.

Danach Aufnahmeprüfung, neun Semester Studium und Abschluss als "Graduierte Designerin mit Diplom" an der Fachhochschule für Gestaltung an der Armgartstraße --- Schwerpunkt Verpackung (nicht wirklich meine Welt). Das jahrelange Studium blieb, was meinen beruflichen Werdegang betraf, folgenlos.

InhaltMUSIKALISCHER WERDEGANG

Erste Klavierstunden mit sechs Jahren (fand ich gar nicht toll), noch bevor ich zur Schule kam. Meine drei Klavierlehrerinnen waren eine menschliche Zumutung (der einzige Mann in der Reihe war in Ordnung) --- Friede ihrer Asche. Eine davon war so nervtötend, dass ich einmal vor dem Unterricht mit dem rechten Zeigefinger absichtlich und mehrfach gegen eine Tür gelaufen bin, ihn demonstrativ verbunden habe, um damit pflichtbewusst bei meiner Lehrerin aufzutauchen und mich dann von ihr nach Hause schicken zu lassen. Lügen wollte ich nicht, deshalb diese mehr als rigide Maßnahme --- braves Kind!

Den Klavierunterricht mit siebzehn (erleichtert) gecancelt, nachdem ich an der Musikhochschule vorgespielt hatte und man mir dort eiskalt eröffnete, ich müsse wohl technisch "noch mal ganz von vorne anfangen" --- nein, danke!

Entgegen manchen Informationen habe ich keine Gesangsausbildung!

Mehrere Jahre Chormitglied im Hamburger Universitätschor, mit dem ich dank meinem Onkel tolle Oratorien-Konzerte erlebt habe --- u. a. das Verdi-Requiem --- der Knaller!!!

Während der Schulzeit mehrfache, aber ziemlich erfolglose musikalische Versuche bei diversen "Bunker-Bands", denen meine Stimme aber meist zu "klassisch" bzw. nicht "rockig" genug war. Nur die Keyboards zu spielen war mir allerdings zu wenig, also hat man sich immer wieder von mir als "Frontfrau" getrennt. --- Und in der Stammkneipe oder auf Partys natürlich die Erfüllung der "Minne, sing doch mal was"-Wünsche zum Klavier oder mit den landläufigen "Lagerfeuer-Griffen" auch mal zur Gitarre. Leider konnte ich mir damals schon keine Texte merken und hatte deshalb meistens ein Textheft dabei...

1973 Einstieg als Sängerin und Keyboarderin bei der Gruppe OUGENWEIDE.

1985 Trennung der Gruppe.

Danach immer mal wieder kurze gesangliche Stippvisiten im Aufnahme-Studio z.B. für Boytronic, Floret Silva oder The Perc Meets The Hidden Gentlemen.

InhaltANDERE AKTIVITÄTEN

Schreiben von (unveröffentlichten) Kurzgeschichten für Erwachsene und Kinder. Zwei wirklich sehr hübsche Wichtel-Märchenbücher, die ich gemeinsam mit meiner Mutter illustriert habe, liegen ebenfalls noch brach. Ich habe trotz meiner Bemühungen leider keinen Verlag dafür gefunden.

Ansonsten Jobs verschiedenster Art (im Verkauf, im Büro, am Telefon etc.), wie das bei den meisten "verkrachten Künstlerexistenzen" nun mal so ist. Dazu kamen gesundheitliche Probleme.

Das Fazit: geboren im Schwarzwald --- gelandet im Hartz.....

InhaltOUGENWEIDE 1973 - 1985

BESETZUNG

Olaf Casalich/Gesang, Schlagzeug und Percussion; Frank Wulff/fast alle Instrumente und notfalls auch Gegenstände, aus denen Töne kommen; Stefan Wulff/Bass, Wolfgang von Henko/Gitarre; Jürgen Isenbart/Schlagzeug und -werk aller Art; Minne Graw/Gesang, alles, was klavierähnliche Tasten hat, na ja, und Blockflöte, Glockenspiel oder sogar auch mal Gitarre.

EINSTIEG

Das Hauptaugenmerk meiner musikalischen Vita lag und liegt eindeutig auf der Arbeit mit der Gruppe OUGENWEIDE, die damals schon bestand und unter der Ägide ihres "Entdeckers" Achim Reichel bereits ihre erste LP veröffentlicht hatte, als ich im Spätsommer 1973 noch während meines Studiums dazustieß. Die Platte war mit zwei anderen Sängerinnen aufgenommen worden; die eine, Brigitte Blunck, war bereits ausgestiegen; mit der anderen, Renee Kollmorgen, mit der ich noch eine Weile gemeinsam bei der Band gesungen habe, bin ich immer noch befreundet.

Und so kam es zu meiner Mitwirkung bei der Gruppe: 1968, als 16-jähriger Teenie also, "ging" ich mal immerhin ganze sieben Monate mit dem jüngeren Bruder unseres Gitarristen, und als nun die Band vier Jahre später eine neue Sängerin suchte, hatte der gute Junge sich (danke, Micky!) an mich und meine Stimme erinnert. Man rief mich an und bat mich, zu einer unverbindlichen Probe vorbeizukommen, was ich auch tat (zur Sicherheit mit männlicher Begleitung --- meinem heute immer noch aktuellen Lebensgefährten!). Ich sang an diesem Abend testweise mit und war sofort drin in der Materie --- so kann's gehen...

Das Konzept, Mittelalterliches mit Modernem zu verbinden, hatte mich überzeugt. Und der Name Minne passte natürlich wie die Faust aufs Auge --- Zufall oder Vorbestimmung??? Egal --- Bingo!

An meinem 21.Geburtstag, zu dem ich alle Beteiligten eingeladen hatte, wurde ich jedenfalls zum festen Bestandteil der Gruppe. Einige Zeit später verließ uns auch Renee und ich blieb als einzige weibliche Komponente der Band übrig.

LAUF DER ZEIT

Unsere vielfältige Musik, mit der wir wachsenden Erfolg hatten, hat mein Leben ganze zwölf Jahre bestimmt und tut das mal mehr, mal weniger bis zum heutigen Tag. Selbst nach so langer Zeit werden meine Stimme und ich noch oft mit OUGENWEIDE identifiziert, auch wenn die Gruppe längst ein anderes Gesicht angenommen hat. Es gab und gibt viele Menschen, die wir mit unserer Musik erfreut haben, und die uns in der alten und auch der neuen Formation nach wie vor treu geblieben sind, und das ist schön zu wissen!

Inzwischen weiß ich auch, dass wir mit unserer Form von Musik eine ganze Reihe von Musikern und Gruppen beeinflusst und angeregt haben, etwas, das mir damals so gar nicht bewusst war. Dazu gehören u.a. auch In Extremo, auf deren Wunsch wir kürzlich anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens eine Neufassung unseres Liedes "Eiris sazun" aufgenommen haben, die nun auf ihrer Jubiläums-CD zu finden ist.

Dazu sind einige unserer Lieder nach wie vor in diversen Schulbüchern zu finden und versüßen den Kindern, deren Eltern oder sogar Großeltern vielleicht noch unsere alten Platten im Schrank stehen haben, hoffentlich ein bisschen damit den Unterricht.

1974

UNTERWEGS

Unterwegs waren wir in mehr als 170 Städten Deutschlands, aber auch sehr häufig in Österreich, der Schweiz und in den Niederlanden. In Frankreich (Elsass), Luxemburg, England, Polen und der damaligen Sowjetunion gab es nur kurze, aber prägnante Gastspiele.

Wir sind dabei natürlich auch mit vielen Musikern und anderen Künstlern zusammengetroffen, z.B.:

Fairport Convention, Steeleye Span, Alain Stivell, Pentangle, Planxty, Donovan, Eric Burdon, Kraan, George Moustaki, Clannad, Klaus Lage, Nina Hagen, Konstantin Wecker, Wolf Biermann, Otto, Franz-Josef Degenhardt, The Chieftains, Liederjan, Novalis, Heinz Rudolf Kunze, Rio Reiser, Puhdys, Bettina Wegner, Volker Lechtenbrink, Schroeder Roadshow, Die Kleine Tierschau, Georg Danzer, Eisi Gulp, Cochise, Schmetterlinge, Stefan Remmler, Elster Silberflug, Ina Deter, Amazing Blondel und sogar, man glaubt es kaum, Boney M ...

Es waren ganz bestimmt noch ein paar mehr, aber mir fallen leider gerade nicht alle ein, und die Reihenfolge ist sowieso beliebig. Wir haben mit ihnen diverse Festivals, gemeinsame Konzerte oder Sendungen im Fernsehen bestritten, wo wir damals mit unserer Band ebenfalls durchaus präsent waren (Dokumente Deutschen Daseins, Liederzirkus, Sesamstraße, Ougenweide-Portrait etc.). Das waren interessante und manchmal auch spannende Begegnungen!

PLATTEN

Während meiner aktiven OUGENWEIDE-Zeit haben wir 9 LPs veröffentlicht:

Ougenweide/1973; All die weil ich mag/1974; Ohrenschmaus/1975; Eulenspiegel/1976; Ungezwungen/1977; Fryheit/1978; Ousflug/1979; Ja-Markt/1980; Noch aber ist April/1981,

die man inzwischen natürlich auch als CDs bekommt --- erschienen bei Bear Family Records...

www.bear-family.de

Die beiden Live-CDs "Wol mich der Stunde" und "Ouwe war", die zum Teil bislang unveröffentlichtes Material enthalten, herausgegeben von Sireena Records...

www.sireena.de

Und die neue Formation von OUGENWEIDE hat ebenfalls ihre Musik auf CD herausgebracht --- siehe

www.oton-studio.com

1977 v.l.: Olaf, Stefan, Minne, Wolfgang, Jürgen, Frank und Katze Sarod

InhaltERINNERUNGEN

In den zwölf Jahren unserer gemeinsamen OUGENWEIDE-Existenz haben wir natürlich eine ganze Menge erlebt. Es gab wunderbare, interessante, aufregende (vor jedem Konzert musste ich Baldrian zur Beruhigung nehmen!), spannende, schöne, unerfreuliche, lustige und auch nicht so lustige Vorkommnisse. Vieles habe ich leider vergessen. Aber ein paar Splitter davon sind doch noch hängengeblieben und die werden wohl für immer einen Platz in meinen Erinnerungen einnehmen.

ERFOLG

Die wichtigsten Konzerte waren nicht immer die größten, die größten nicht immer die besten, und die besten nicht immer die erfolgreichsten. Aber ich werde nie vergessen, dass wir als Hamburger Formation es damals geschafft haben, die ehrwürdige Berliner Philharmonie bis auf den letzten Platz zu füllen und eine solche Begeisterung zu entfachen, dass der damalige Intendant Herbert von Karajan uns nach dem Konzert Hausverbot gegeben hat, weil unser Publikum die sauteure Hebebühne des Saals in Grund und Boden getanzt hatte. Wenn das kein Erfolg war...!?!

RITTERSCHLAG

Berlin war überhaupt ein Garant für Erfolg. Wir haben dort sehr häufig und in den verschiedensten Lokalitäten vom kleinsten Club bis zur großen Berliner Waldbühne Konzerte gegeben, die allerdings vorher und nachher nie ganz an unseren Auftritt in der Philharmonie heranreichten. Dort zu spielen war eben etwas ganz Spezielles, sozusagen der Ritterschlag für Musiker. Und wenn ich ganz ehrlich bin, war es der größte Moment in all den Jahren mit der Band, obwohl ich das komplette Konzert ein bisschen wie in Trance erlebt habe, weil ich so beeindruckt und aufgeregt war.

Apropos Ritterschlag: Als wir gemeinsam mit dem legendären Donovan die Berliner Waldbühne bespielten, habe ich nach dem Auftritt noch ein paar Worte mit ihm gesprochen. Dabei hat er mir ein wirklich großes Kompliment für meine Stimme gemacht und ich fühlte mich dadurch höchst geehrt, das muss ich unumwunden zugeben. Immerhin gehörte Donovan zu den Idolen meiner frühen Teenie-Zeit und ich habe oft Songs von ihm zur Gitarre zum Besten gegeben.

POLITIK

Politisch hatten wir uns damals "grün-links" positioniert, wo ich persönlich noch heute stehe, und sind häufig bei entsprechenden Veranstaltungen auf- und damit für unsere Meinung eingetreten. Auch das war wichtig! Eine ganze Reihe der oben genannten Musiker und Künstler haben wir im Zuge unseres politischen Engagements kennengelernt. Es gab in den 70er- und 80er-Jahren ja reichlich Festivals und ähnliche Veranstaltungen, die einen politischen Hintergrund hatten. Die "Grünen" waren gerade mächtig im Kommen, und das Interesse und die Aktivitäten für diese Form der Politik wuchsen auch bei uns Musikern. 1984 waren wir z.B. eine Woche lang mit der "Grünen Raupe" unterwegs. Das war eine tolle und wirklich sinnvolle Wahlkampf-Tournee, während der viele Künstler unentgeltlich aufgetreten sind. Dazu kamen Reden der wichtigsten Köpfe der "Grünen" wie Petra Kelly, Gerd Bastian, Thomas Ebermann oder auch (damals noch grün) Otto Schily, mit dem ich in der Garderobe sogar ein bisschen geflirtet habe... ;-)

Unsere politische Einstellung und die dazu passende Optik haben allerdings auch immer mal wieder für ziemlich fragwürdige Vorfälle gesorgt, bis hin zu einer Anzeige aus der Nachbarschaft wegen des Verdachts auf "konspirative Treffen" in der WG der Jungs, wo wir uns anfänglich zu den Proben trafen. "Keine Gardinen vor den Fenstern und ständig fremde Leute, die aus- und eingehen!" Da muss man doch schon mal sicherheitshalber die Hüter des Gesetzes aktivieren...

Auch bei den Grenzübergängen wurden wir gerne genauer unter die Lupe genommen. Langhaarige Musiker? Da müssen doch Drogen im Spiel sein! Einmal (nachts!) hat man uns ewig lange festgehalten, weil jemand von uns ein "weißes Pulver" dabei hatte. Ein homöopathisches Mittel...

Jedenfalls ist man uns häufig mit Misstrauen begegnet, besonders wenn wir in "schwarzen" Gegenden unterwegs waren. Missbilligende Blicke, Sprüche, Unfreundlichkeiten, alles war dabei, nur zu Tätlichkeiten ist es nie gekommen, nicht mal in den Hochburgen der "Schlagenden Verbindungen". Man hat uns zwar angegeifert, aber zu mehr kam es nicht. Meine Jungs waren halt kräftige Kerle, denen nahezutreten man sich nicht getraut hat.

Es gab jedenfalls eine ganze Menge offizielle Möglichkeiten, seine politische Meinung kundzutun, und wir waren oft und gern dabei. Und mitgemacht hat damals eigentlich sowieso jeder, der in der Musik-Szene auch nur ansatzweise Rang und Namen hatte. Und das war auch gut so!

ALAIN STIVELL

Auch mit dem "Harfen-Rocker" Alain Stivell waren wir mal eine Woche lang unterwegs, was viel Spaß gemacht hat. Die erste Hälfte des Abends bestritten wir, dann waren er und seine Band an der Reihe. Auch er hat immer gute Laune mit seiner schönen Musik verbreitet und das gipfelte darin, dass wir Musiker zum Schluss der Konzerte gemeinsam auf der Bühne standen und alles im Saal tanzte, was zwei gesunde Beine hatte. Eine völlig verrückte Woche, in der ich als Frau allein mit ungefähr zwanzig Männern unterwegs war (normalerweise waren es ja "nur" neun) --- oder waren es nicht doch mehr...?

PARTNER-KONZERTE

Gerne haben wir auch "Partner-Konzerte" mit englischen Gruppen veranstaltet, bei denen wir den Anfang machten und dann nach der Pause entspannt der "Konkurrenz" zuhören konnten. Fairport Convention, Steeleye Span oder Pentangle waren solche Bands, mit denen uns ein ähnlicher Musikstil verband und deshalb auch ein ähnliches Publikum.

Der spannendste Auftritt war am Anfang unserer "Karriere" der mit Fairport Convention und ihrer legendären Sängerin Sandy Denny, die ja leider so früh ihr Leben lassen musste, und mit der ich unerklärlicherweise häufig verglichen wurde. Ich war demnach "Deutschlands Antwort auf Sandy Denny". Na ja, irgendeine Schublade muss man ja wohl belegen. --- Wie dem auch sei, das Konzert fand im Hamburger CCH statt, was für uns schon mal aufregend genug war. Zudem mussten wir aus technischen Gründen über die Anlage von Fairport Convention spielen. Unsere Mitstreiter, bzw. deren Techniker fühlten sich bedauerlicherweise bemüßigt, uns als Konkurrenten möglichst am Boden zu halten, in dem sie den Sound zu unseren Ungunsten beeinflussten, was den Auftritt für uns natürlich ziemlich schwierig machte. Jedenfalls kam ich auf diese ungewohnt große Bühne, stand in einem ebenfalls völlig ungewohnten gleißenden Lichtkegel und blickte deshalb vor mir statt ins Publikum nur gegen eine gänzlich undurchdringliche Lichtwand. Als ich anfing zu singen, wurde es noch schlimmer, weil ich fast genauso wenig hörte wie ich sah. Egal, ich habe wie um meine Leben gesungen, und wir haben allen Maßnahmen der Konkurrenz zum Trotz ein begeistertes Publikum hinterlassen, gegen das Fairport Convention dann alle Mühe hatte, sich durchzusetzen. Schade eigentlich, denn Fairport Convention war eine wunderbare Band, die wunderbare Musik gemacht hat. Sie hätten derlei Konkurrenz-Sperenzchen eigentlich nicht nötig gehabt. Aber auch andere englischen Musiker, mit denen wir zu tun hatten, waren diesbezüglich immer ein bisschen eigen. Daran musste man sich halt gewöhnen.

AUSFÄLLE

Viele Konzerte sind mir leider durch krankheitsbedingte Ausfälle haften geblieben, so auch das im für uns so wichtigen Münchener Zirkus Krone. Ich war dermaßen erkältet und zudem stockheiser, dass ich trotz literweisem Konsum von heißer Milch mit Honig, tütenweise Hustenbonbons, einem vorherigen Besuch der HNO-Abteilung eines Krankenhauses und entsprechenden Medikamenten keinen klaren Ton zustande brachte. Nicht mal der beißende Gestank, der aus den Elefanten-Käfigen hinter der Bühne drang, half... Da aber auch dieses Konzert ausverkauft war und wir unser Publikum nicht enttäuschen wollten, musste ich während unseres Auftritts alle meine Gesangsparts entweder eine Oktave tiefer legen oder schlicht eine andere Melodie improvisieren. Es war zwar an diesem Abend ganz und gar nichts mit dem in vielen Stücken erforderlichen "glockenhellen Sopran", aber irgendwie habe ich alles sozusagen fehlerfrei durchgestanden und das Publikum hat es uns gedankt. Es war trotz meines Handicaps ein rundum gelungenes Konzert.

Unseren Sänger Olaf allerdings mussten wir einmal aus den gleichen Gründen komplett ersetzen, da er nicht nur heiser war, sondern überhaupt nichts mehr herausbrachte. So haben alle von uns, die dazu irgendwie in der Lage waren und die Texte konnten, seine Gesangsparts übernommen. Auch das hat geklappt und es hat sich nicht einmal jemand beschwert.

Eine derartige Beschwerde hat es nur einmal gegeben, als mir aufgrund einer Kaninchenhaar-Allergie innerhalb kürzester Zeit die Stimmbänder zugeschwollen waren, weil ein paar Tage vorher in der zu bespielenden Halle eine Kleintierausstellung stattgefunden hatte. Ich konnte keinen geraden Ton mehr singen, weil sich meine Stimmbänder nicht mehr steuern ließen. Für mich war das eine Katastrophe und ich hätte am liebsten mitten auf der Bühne losgeheult. Jeder meiner Gesangsversuche klang einfach jämmerlich und ich war wirklich eine musikalische Zumutung, der eine Konzertbesucherin nachher dann auch eindeutig Ausdruck verlieh, indem sie ihr Eintrittsgeld zurückverlangte --- wegen Indisposition der Sängerin. Ich konnte sie sehr gut verstehen!!!

In Saarbrücken haben wir ein ganzes Konzert platzen lassen müssen, weil der gute Wolfgang, unser unverzichtbarer Gitarrist, kurz vorher mit hohem Fieber zusammengeklappt war. Da standen wir dann mit Erklärungsbedarf in der Eingangshalle und mussten dem etwas ungehaltenen Publikum begreiflich machen, warum eine Band unter Umständen zwar ohne ihre Sänger, nicht jedoch ohne ihren Gitarristen funktioniert. Schwierig! Wir haben das Konzert aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

WIDRIGKEITEN

Auch in Aachen haben wir mal ein Konzert ausfallen lassen müssen, weil wir Musiker und unser Publikum zwar pünktlich vor Ort waren, allerdings unsere Roadcrew samt Anlage und Instrumenten auf der Autobahn liegengeblieben war. Keine Instrumente --- keine Musik. So ist das halt... Derartiges ist natürlich schon ab und zu mal passiert, sei es durch die Wetterlage (Schnee) oder eine Autopanne, aber wir konnten dann meistens zwar unpünktlich, aber doch immerhin überhaupt auftreten. Das ging so weit, dass unser uns offenbar sehr gewogenes Publikum einmal seelenruhig mit uns auf die Technik gewartet und beim Aufbau einfach kurzerhand mit angefasst hat. Mit zweistündiger Verspätung fand dann unser Konzert doch noch statt. Das hatte wirklich Stil!

UNTERWEGS

Ich weiß nicht, wie viele Kilometer wir während unserer Tourneen auf der Autobahn und auf Landstraßen abgerissen haben. Es müssen Zehntausende gewesen sein, von denen ich bestimmt die Hälfte verpennt habe. Na ja, wie das halt so ist: abends spät ins Bett und morgens wieder früh raus (Hotel-Frühstück bis 10 Uhr --- abartig!). Also ab auf die Hinterbank und nachschlafen, das war meine Devise, zumal ich keinen Führerschein habe und deshalb als Fahrer nicht infrage kam. Glücklicherweise ist uns nie etwas passiert, denn alle, die sich ans Steuer gesetzt haben, sei es von den Musikern oder vom "Personal", waren gute und zuverlässige Fahrer. --- Es gab nur zwei brenzlige Situationen, die uns tatsächlich das Leben hätten kosten können. Einmal ist uns während voller Fahrt mit unserem alten Ford-Transit ein Reifen geplatzt und wir sind mächtig ins Schlingern geraten. Aber Wolfgang hat den Wagen vorbildlich aufgefangen und wir sind heil geblieben. --- Ein anderer Moment war, als einer unserer Tourneebegleiter, der gerade erst seinen Führerschein gemacht hatte, am Steuer unseres Bandbusses saß, auf die Autobahn wollte, und übersah, dass es keine Einfädel-Spur gab. In dem Augenblick, als er aufs Gas gehen wollte, rauschte ein riesiger Reisebus an uns vorbei, der uns um Haaresbreite verfehlte, aber auch nur, weil unser Fahrer gerade noch rechtzeitig in die Bremsen ging. Eine Zehntelsekunde später hätte das Monstrum uns erwischt gehabt. Das war knapp an einer Katastrophe vorbei und alle waren hinterher doch ziemlich käsig im Gesicht.

LAUTSTÄRKE

Wir haben im Laufe der Zeit ja eine Menge Menschen mit unserer Musik beschallt. Mal mehr, mal weniger laut. Schließlich waren wir unserem Verständnis nach keine mittelalterlich-puritanischen Lauten-Zupfer (sorry an alle Lautenspieler!), sondern Folk-Rocker mit einem ausgeprägten Spaß an der entsprechenden Lautstärke bei den entsprechenden Stücken (wir konnten natürlich auch anders...). Manchmal war es dem einen oder anderen Gast wohl zu viel des Guten und ich werde nie vergessen, wie ein "Oberlehrer" während der Pause zu uns hinter die Bühne kam und eine ziemlich leidige Diskussion über das Thema Lautstärke mit uns entfachte, während der er "erzieherische Maßnahmen" zu ergreifen suchte, die in einem uns mehr als einleuchtenden Satz gipfelten:"Rockmusik kann doch auch leise schön sein!" Eine wirklich sinnige Aussage...! Dieser denkwürdige Spruch wurde für uns übrigens zum geflügelten Wort!

FLIEGENANGRIFF

Unsere Konzerte wurden auch gerne mal von sehr viel kleineren "Widrigkeiten" gestört. Zweimal habe ich während sommerlicher Open Air-Auftritte beim Luftholen eine Fliege verschluckt und musste dann, statt weiterzusingen bzw. Blockflöte zu spielen, dermaßen lachen, dass gar nichts mehr ging. Die jeweils anschließende und wie ich fand plausible Erklärung hinterließ beim Publikum ziemliches Unverständnis. Ich vermute stark, man hat uns diese etwas eigenwillige, aber wahre Entschuldigung für meine kompletten Ausraster einfach nicht geglaubt.

ZUSAMMENBRUCH

Ein anderes Mal verschwand ich mitten in einem besonders ruhigen Stück plötzlich mit einem spitzen Schrei unter meinem Harmonium. Mein Hocker hatte freundlicherweise seinen Dienst verweigert und war ohne Vorwarnung trotz meines damaligen Normalgewichts einfach zusammengebrochen. Als ich mich wieder aufgerappelt und meinen Sitz rekonstruiert hatte, brauchte ich wieder mal eine längere Lachpause, bevor wir endlich weiterspielen konnten. Das Publikum hat sie mir gegönnt...

SCHLECHTES BENEHMEN

Nach einem sehr guten Konzert, was uns wohl alle in eine gewisse Euphorie versetzt hatte, fand ich mich einmal völlig unverhofft mit mehreren (gefühlt ziemlich vielen!) splitterfasernackten (!!!) Kerlen im Hotelfahrstuhl wieder --- ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, dass ein paar davon, typisch Mann, noch die Socken anhatten. Ich war die Einzige, die normal bekleidet war, und konnte mich einer leichten Verunsicherung nicht erwehren. Die schräge Aktion meiner Mitstreiter zog allerdings keine weiteren Konsequenzen nach sich --- glücklicherweise! Ich hätte damals nur zu gerne eine Kamera dabei gehabt...!

Auch ein paar Hotel-Hausverbote haben wir uns eingehandelt. Schließlich gehört das zu jeder Vita einer echten Rockband, auch wenn es bei uns nur "Minne-Rock" war. Und wir waren, wie ich finde, vergleichsweise harmlos. In einem Fall hatte sich nach einer nächtlichen Wasserschlacht in einem Hotelflur in Bern lediglich am nächsten Morgen der angeblich funkelnagelneue Teppichboden von seiner denkbar schlechtesten Seite gezeigt, einer stark gewellten --- tja, war wohl keine besonders gute Qualität...

In einem anderen Hotel haben wir mal ein ziemliches Chaos hinterlassen, weil man uns dort von vornherein dermaßen arrogant und unhöflich empfangen hatte (wir befanden uns gerade im schwärzesten Bayern und die Jungs hatten natürlich lange Haare --- pfui Deifi!!!), dass selbst ich, wohlerzogen wie ich eigentlich war und bin, aus Frust ein großes Badetuch habe mitgehen lassen. Das Tuch habe ich noch heute --- mit Hotel-Signet! Ein bisschen Rache muss halt manchmal schon sein, oder?

NACHTS

Hunderte von Hotel- und sonstigen Übernachtungen haben in meinem mehr als schlechten Gedächtnis ihre unauslöschlichen Spuren hinterlassen. Wir haben alles erlebt, von der hinterletzten verdreckten Kaschemme bis zu der Hotelkette mit dem großen H und der allseits wohlbekannten Erbin. Eine Zeit lang habe ich Lampen fotografiert, weil ich den Ehrgeiz hatte, die Entdeckerin der absolut scheußlichsten Hotelzimmerbeleuchtung zu werden --- ich konnte mich leider für keinen Sieger entscheiden, die Auswahl war einfach zu groß...

Scheußlichkeiten der besonderen Art haben wir nur zu oft zu Gesicht bekommen, aber wenn es dunkel ist, sieht man ja nicht wo man schläft --- der Meinung sind viele Hotelbetreiber offenbar auch, eindeutig erkennbar an den potthässlichen Zimmern und teils wirklich ekelhaften "Nasszellen" (welch passendes Wort), die sie einem für viel Geld zumuten.

In der ersten Zeit hatten wir auch noch des Öfteren privat übernachtet, da uns als junger Gruppe das nötige Kleingeld für ein Hotel fehlte, oder wir einfach sparen wollten. Was wir da so sehen und fühlen durften, grenzte oft an Körperverletzung. Ich erinnere eine völlig versiffte Hinterhofwohnung in Berlin (nach dem Motto:"Ich kenn da wen, da könnt ihr pennen"), in der der Dreck in Zentimetern gemessen werden konnte. Ekelerregend, aber wir haben uns trotzdem irgendwo hingelegt und am nächsten Morgen nur sehr unvollkommen gewaschen, um nicht wesentlich schmutziger zu werden als wir waren. Und ungeheizte Partykeller waren ebenfalls im Angebot, durchaus auch gerne mal im tiefsten Winter...

Meistens hatten wir es aber doch mit gastfreundlichen und netten Menschen zu tun, sei es privat oder auch professionell, die uns ein vernünftiges Dach über dem Kopf, ein gutes Bett und ein anständiges Frühstück geboten haben, das möchte ich nun doch nicht unerwähnt lassen!

Wenn wir allerdings auf Open Air-Festivals spielten und mit unserem Publikum noch eine Weile nach dem Auftritt palaverten, was wir oft nach Konzerten taten, kam gern die Frage, wo wir denn übernachten. Wir sind dabei immer wieder auf großes Unverständnis gestoßen, weil wir es vorzogen, im Hotel in einem richtigen Bett zu nächtigen, statt gemeinsam mit all den lieben Schlafsack-Schläfern auf der grünen Wiese zu pennen --- aus deren Alternativ-Sicht war das natürlich Luxus pur und somit völlig inakzeptabel...

HUNGER

Wenn man unterwegs ist, muss man sich ja bekanntlich von irgendetwas ernähren. Tagsüber war das kein Problem. Es gibt genügend Autobahnraststätten oder Landgasthöfe, die man auf langen Fahrten ansteuern kann. Zur Not tut es auch eine Imbissbude. Unser Problem war immer die Ernährung nach dem Konzert. Kurz vorher mochte niemand viel essen, aber hinterher hatten immer alle mächtigen Hunger. Unsere Konzerte dauerten lange und bis wir und besonders die Crew endlich aus der Halle kamen, waren in den meisten Städten die Bürgersteige schon längst hochgeklappt. Und dort, wo es noch etwas gab, waren wir notgedrungen auf den ortseigenen "Griechen" oder "Jugoslawen" angewiesen, da die "gutbürgerlichen" Gaststätten noch früher zumachten --- der untertänigst eingehaltenen Sperrstunde sei Dank. Nichts gegen deren leckere landestypische Küche, aber nach dem vierten Gyros in der Woche steht einem doch der Sinn nach etwas anderem. Na ja, verhungert sind wir trotzdem nicht.

DURST

Es gab auch immer mal kleinere alkoholische Exzesse unterwegs, die ab und zu notgedrungen (Problem siehe oben) in einem Hotelzimmer-Gelage endeten, wie ich zugeben muss. Ich weiß noch, wie z.B. für einen von uns ein Konzertabend mal im Kleiderschrank geendet hat. --- Aber auch ich war nicht gefeit: Wir hatten nachmittags vor einem Konzert nichts weiter zu tun und unser Hotel bot eine Kegelbahn und zudem einen wunderbaren Weißwein im Bocksbeutel. Du meine Güte! Ich habe keine Ahnung, wie ich durch das Konzert gekommen bin, weil ich so breit war, dass ich mich nur ungern und vor allen Dingen unvollkommen daran erinnere. Fakt ist, dass ich mich ungeheuer zusammenreißen musste, um nicht unangenehm aufzufallen. Es ist mir wohl irgendwie gelungen, aber es war ein ziemlicher Parcoursritt, der mir in dieser Form allerdings nie wieder passiert ist. Von da an galt die Devise: Kein Alkohol vor dem Auftritt! Jedenfalls für mich!!! Lediglich ein Codein-haltiger Hustensaft hat mich noch mal in eine derartige Situation gebracht. Ich habe nach dessen Einnahme zwar nicht mehr gehustet, aber den Abend auf der Bühne sozusagen "neben mir" verbracht...

NIKOTIN

Bei dem Wort Husten fällt mir ein, dass ich doch lange Jahre unter meinen fünf Rauchern sehr gelitten habe. Drei Monate nach meinem Einstieg bei der Band hatte ich das Rauchen aufgegeben --- Silvester 1973/74 um Mitternacht habe ich meine letzte Zigarette geraucht, weil es nur zwei Alternativen gab: entweder rauchen oder singen. Ich hatte mich für das Singen entschieden. Meine Jungs hingegen sahen keinen Grund aufzuhören und haben mich damit viel Nerven gekostet. In den Anfangsjahren fuhren wir zu sechst in einem Bandbus und meine Folterer fanden es wohl hochamüsant, dass ich so unter dem Qualm litt. Besonders witzig war es für sie, sich alle gleichzeitig eine anzustecken und mich dann in vereinter Männersolidarität auszulachen, wenn ich sauer wurde. Ich fand das nicht sehr professionell, denn jeder, der singt, weiß was Zigarettenqualm anrichten kann. Einmal schlimmer, wenn man vielleicht auch noch gerade erkältet ist. Erst als sich das Gesundheitsbewusstsein im Laufe der Jahre auch bei den Herren der Schöpfung durchsetzte, hatte ich endlich Ruhe. Zeitweise sind wir dann sogar mit zwei identischen dunkelblauen Daimlern älteren Baujahres unterwegs gewesen --- eine Raucher- und eine Nichtraucher-Limousine. Cool!

DISZIPLIN

Disziplin war sowieso nicht gerade eine Stärke unserer Formation. Das machte sich besonders bei den Proben bemerkbar. Ich hatte oft genug einen dicken Hals, weil unsere Arbeit für mein Gefühl mehr aus Pausen als aus Musik bestand. Erstens kam immer einer zu spät, oder besser, viel zu spät! Und zweitens musste beinahe nach jedem Stück, das wir gerade mal durchgespielt hatten, wieder einer der Jungs eine rauchen oder was essen oder telefonieren, oder, oder, oder. Ich hätte gerne komprimierter gearbeitet, während die anderen das Ganze eher als lockere Freizeitbeschäftigung betrachteten. Aus ihrer Vollblutmusiker-Sicht natürlich verständlich, aus meiner 9-to-5-Sicht nervig, denn ich mochte nicht länger als nötig im verqualmten Probenraum hocken und mich den gemütlichen Gepflogenheiten meiner Mitstreiter anpassen müssen. Ich wollte dann oft einfach nur nach Hause in mein Privatleben. Das zog so manchen Streit nach sich, und ich stand dann allein gegen diese 5-Mann-Phalanx von Hobby-Machos, denen ich allerdings ehrlicherweise zugestehen muss, dass sie wesentlich enthusiastischer bei der Sache waren als ich. Es war eben nicht immer alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Doch letzten Endes haben wir unsere Arbeit dann doch immer gemeinsam geschafft und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Und das ist es letztlich, was zählt.

MACHISMO

Als alleinige Frau in der Gruppe hatte ich auch sonst oft nichts zu lachen, das lässt sich leider nicht leugnen. Man hat mich oft genug nicht ernst genommen und das fand ich gar nicht prickelnd. Wenn ich einen inhaltlichen relevanten Vorschlag machte, hat häufig einfach niemand zugehört. Wenn aber derselbe Vorschlag von einem der Kerle (unbewusst?) aufgenommen und dann erneut unterbreitet wurde, waren alle plötzlich hell begeistert. Das hat mich immer wieder verletzt und auch Tränen gekostet, bis hin zu Sprachstörungen, weil ich irgendwann einfach keinen Satz mehr, ohne mich zu verhaspeln, zu Ende brachte, immer in dem Bewusstsein, dass es ja eh niemanden interessieren würde, was ich zu sagen habe. Gut, das war nur eine Phase, die ich selbstredend längst überwunden habe, aber sie ist mir eine Weile doch ziemlich an die Substanz gegangen, das muss ich zugeben. Merkwürdigerweise habe ich es trotzdem nie als Diskriminierung empfunden, eher als Zeichen dessen, dass ich nicht durchsetzungsfähig genug war. Typisch weiblich diese Haltung! Aber bin ich nachtragend? Never ever --- all diese Macho-Mätzchen waren wohl der damaligen Unreife (sorry, Jungs!) meiner fünf Mitmänner geschuldet.

STÄDTE

Wie schon erwähnt, haben wir auf unseren Tourneen mehr als 170 Städte unseres Landes bereist. Genügend Zeit und Muße für Sightseeing hatten wir ja meistens nicht. Außer Hotels, Autobahnen, Hallen und Restaurants sieht man als Band unterwegs nicht allzu viel. Wenn aber zeitlich genügend Luft war, habe ich mich dort, wo wir gerade auftraten, immer sehr gerne umgesehen. Wir haben eine Menge schöne Städte in Deutschland und es gibt viel Interessantes zu sehen, nur eines ist mir damals schon auf die Nerven gegangen: Sobald man in die Fußgängerzone jedwelcher Stadt kommt, ist es auch fast immer vorbei mit der Schönheit und man hat keine Ahnung, wo man sich eigentlich gerade befindet. Überall die gleichen Laden- und Restaurantketten, die gleiche Kugel-Beleuchtung, die gleichen Sitzbänke, die gleiche Pflasterung und dadurch auch die gleiche Atmosphäre --- Ödnis pur! In den 70er- und 80er-Jahren war das jedenfalls so und ich vermute, auch wenn ich das nun nicht persönlich überprüft habe, dass sich daran in den meisten Orten nicht viel geändert hat. Ein städtebauliches Armutszeugnis!

HAMBURG

Meine erklärte Lieblingsstadt ist natürlich Hamburg, obwohl ich mir ein Leben in mediterranen Gefilden auch gut vorstellen könnte. Aber das Schicksal hat mich nun mal in diese schöne Stadt verschlagen und ich bin hier zu Hause. Als Band haben wir unsere Heimatstadt immer gerne mit unserer Musik beglückt. Es war jedes Mal etwas Besonderes hier aufzutreten, und die vielen bekannten Gesichter im Publikum haben es noch mal aufregender gemacht. Wir haben hier alles beschallt, was zu beschallen war. Vom kleinsten Club wie das "Logo" oder den "Remter" über die "Fabrik" und die Stadtpark-Bühne, die Musikhalle oder das CCH bis zu den Messe-Hallen. Jedes Konzert hier war anders, aber allesamt waren irgendwie gelungen, und das Hamburger Publikum war immer super. Wenn ich schon in Deutschland leben "muss", dann nur in unserer rundum tollen Hansestadt!

Wir haben uns auch gerne mal etwas Besonderes für die Auftritte in unserer Heimatstadt einfallen lassen. Als wir z.B. ein Konzert in der Musikhalle (heute Laeisz-Halle) gaben, wurde das Publikum von uns mit einem hübschen Schmankerl überrascht. Am Schluss eines Stückes war ein Kanon geplant, der normalerweise von uns selbst intoniert wurde. Stattdessen hatte ich im Vorfeld aus dem Chor meines Onkels eine ganze Reihe sangesfreudiger Freiwilliger zusammengetrommelt, ihnen eine halbe Stunde vor dem Konzert (Spannung!) den Kanon beigebracht, und sie im Publikum verstreut platziert. Als das Konzert in Gange und das besagte Stück an der Reihe war, standen an dessen Schluss plötzlich überall Leute auf und begannen auf mein Zeichen hin gemeinsam wunderschön und fehlerfrei diesen Kanon zu singen --- von mir oben auf der Bühne dirigiert. Das war ein so prickelnder Überraschungseffekt, dass ich heute noch eine Gänsehaut bekomme, wenn ich mich daran erinnere.

DER PAPST IN MAINZ

Jawohl, ich habe ihn gesehen! Papst Johannes Paul den Viertelvorzwölften! 1980 kam er in der Domstadt Mainz unter seiner Käseglocke in sichtbarer Entfernung an unserem Garderobenfenster vorbeigefahren. Und das vor meinen Augen, den Augen einer eingefleischten Atheistin!!! Man möge mir verzeihen, aber die Kirche, egal welcher Konfession, ist glaubensmäßig nicht gerade erste Wahl für mich. Insofern hat mich der Anblick des Oberhirten von menschlichen Gnaden nicht wirklich beeindrucken können. Es war halt eine mehr oder weniger interessante Tournee-Episode für mich. Amen!

SEX AUF DER BÜHNE

Auch wir hatten (lange vor Madonna!) Sex im Programm. In einem unserer Lieder fährt ein Bauer ins Holz und derweil kommt der Geistliche des Dorfes (siehe voriges Kapitel...) und treibt es mit seiner Gattin. Um dem Vorgang eindeutig Ausdruck zu verleihen, habe ich damals einen mehr als ausgiebigen Orgasmus in musikalisch-rhythmischer Form gesungen, oder besser gestöhnt --- Meg Ryan in "Harry und Sally" war später nix dagegen! --- so authentisch, dass sich einer meiner Jungs beschwert hat, er bekäme dadurch "Probleme" auf der Bühne...

BÜHNENSHOW

Als Band waren wir überhaupt ein ziemlich lustiger Haufen, der besonders auf Tournee mächtig viel Spaß gehabt hat. Wir hatten keine Bühnenshow im heutigen Sinne, trotzdem passierte immer auch etwas Unerwartetes für die Augen oder Ohren des Publikums. Abgesehen von der Ansammlung verschiedenster Instrumente, angenehmer Beleuchtung, unseren musikalischen Einfällen, witzigen Accessoires oder sonstigen spontanen oder geplanten Albernheiten, hat unser Schlagzeuger Jürgen (fast) unermüdlich Faxen auf der Bühne gemacht, die leider im Nachhinein nicht mehr zu beschreiben sind. Oft so sehr, dass ich nicht hinsehen konnte, weil ich sonst nicht mehr in der Lage gewesen wäre, mein musikalisches Soll zu erfüllen. Trotzdem konnte ich oft genug seinetwegen vor Lachen kaum singen.

Eine Zeit lang hatten wir auch einen Tourneebegleiter, der eine ganz besondere Form des Humors entwickelte, wenn er mit uns unterwegs war. Er tauchte dann unvermittelt und ohne Vorwarnung während eines Konzertes auf und hatte irgendwas Schräges im Gepäck. Eines Tages erschien er plötzlich auf der Bühne und machte mittendrin einen gekonnten Kopfstand --- untenrum nur mit einer durchsichtigen (!) ekelbeigefarbenen Damenstrumpfhose bekleidet. Ein unglaubliches Bild! Das Ergebnis war natürlich brüllendes Gelächter.

Ich weiß leider nicht, wann Udo Jürgens das erste Mal seine Zugaben im Bademantel gegeben hat, jedenfalls hatte er die Grundidee als solche nicht allein. Eine Weile lang kam ich zur ersten Zugabe solo auf die Bühne, und mit der Entschuldigung, die Jungs seien schon unter der Dusche, gab ich dann ein A cappella-Stück zum Besten. Sobald der letzte Ton verklungen war und der Beifall einsetzte, erschienen meine fünf rundum ziemlich haarigen Mitmusiker (zu der Zeit gab es noch keinen "Metrosex-Look" mit rasierten Männerbrüsten und -Beinen!) wieder auf der Bühne, nur noch mit einem Badetuch um die Hüften bekleidet, und der Rest des Konzertes fand in diesem attraktiven Aufzug statt. Ein hübscher Anblick!

Glücklicherweise hatten nicht nur wir an derartigem Blödsinn Spaß, sondern auch das Publikum.

InhaltAUSLAND

England - Cambridge

Die Auslandsauftritte waren natürlich immer besonders spannend für uns. Insbesondere das Cambridge-Festival im Hochsommer 1978 (Hamburg hatte 30° im Schatten, als wir in den Flieger stiegen!) in England war eindrucksvoll, schon allein deshalb, weil wir die erste deutsche Gruppe waren, der die Ehre zuteil wurde, auf diesem Festival aufzutreten. Kaum waren wir eingetroffen, als sich das Wetter schlagartig änderte. Das Festival fand trotzdem statt --- natürlich bei strömendem Regen, relativer Kälte und in Unmengen von Matsch! Glücklicherweise fanden alle Auftritte in großen Zelten statt, denn der Brite als solcher ist sich ja der Nachteile seiner Heimat durchaus bewusst. Trotz allerschlechtester Wetterlage konnten wir das englische Publikum, das Musikern außerhalb seines ziemlich feuchten Dunstkreises doch meist mehr als kritisch gegenüber steht, mit unserer Musik tatsächlich dazu bewegen, uns zuletzt "standing ovations" zu geben. Das war schon ein tolles Gefühl!

Nicht ganz so toll war, dass ausgerechnet, als wir am Morgen nach dem Konzert nach Hause fliegen wollten, unbedingt mal wieder die englischen Fluglotsen streiken mussten, was für uns eine endlose Heimreise nach sich ziehen sollte. Zuerst musste ich mir aber aufgrund der immer noch desolaten Wetterlage in London ein paar warme Strümpfe und einen Schirm kaufen, da ich auf Hochsommer eingestellt war und nur leichte Sandaletten trug. Nach stundenlangem Warten in einem plüschigen Londoner Hotel wurden wir dann endlich spätabends im Bus zum Hafen bugsiert, um dort auf eine wetterbedingt schlingernde Nacht-Fähre nach Belgien verfrachtet zu werden. In Belgien stand wieder ein Bus parat, der uns dann in einer schier endlosen Fahrt nach Hamburg brachte. Viel habe ich von dieser Odyssee nicht mitbekommen, die erst am zweiten Tag abends endete, da ich so müde war, dass ich fast alles verschlafen habe. Und damit nicht genug. Wir hatten privat Urlaub gebucht und unser Zug ging früh am nächsten Morgen. Ich konnte sozusagen gerade noch meinen Koffer packen, um dann schon wieder für 24 Stunden im Zug nach Spanien zu sitzen. Ab da sind wir nur noch geflogen...

Russland - St. Petersburg

Auch St. Petersburg(damals noch Leningrad), wo wir 1981 im Hamburger Kulturaustausch eine Woche lang aufgetreten sind, war bemerkenswert. Als wir am Flughafen ankamen und nach unserem Equipment fragten, das wir vorausgeschickt hatten, wusste niemand Bescheid. Irgendwann nach Stunden entdeckten wir unsere teure Anlage dann samt Instrumenten in einem obskuren Hinterhof. Man hatte unseren wertvollen Besitz dort einfach unter freiem Himmel abgeladen und es fielen bereits die ersten Tropfen! Der Transport zum Veranstaltungsort fand dann allen Ernstes in einem offenen Kleinlaster statt. Sehr skurril!!!

Leider hatte man "von oben" nur wenig "ausgesuchtes" Publikum zu unseren Konzerten zugelassen, da wir ja nicht ganz unpolitisch unterwegs waren, und wie wir hinterher erfuhren, haben die Dolmetscher, die man uns an die Seite gestellt hatte, unsere kritischeren Texte auch immer ein bisschen "verfremdet". Wir waren bei unseren Auftritten aufgrund der ganzen Situation natürlich leicht verunsichert und unsere Zuhörer zeigten sich dann auch etwas "verhaltener" in ihrer Reaktion, als wir es sonst gewöhnt waren... Trotzdem möchte ich diese Woche in meinem Leben nicht missen, zumal ich tagsüber die Gelegenheit hatte, diese wunderschöne Stadt ausgiebig zu erkunden.

Eine kleine Geschichte am Rande: Im Gegensatz zu mir, die ich auf dieser Tour eher kulturbeflissen unterwegs war, hatten meine Jungs sich lieber ins echte, Wodka-geschwängerte Leningrader Nachtleben gestürzt, angeblich um "Land und Leute" besser kennenzulernen... Mit dem Ergebnis, dass einer von ihnen (ich nenne jetzt mal keinen Namen...) nach einer feuchtfröhlichen Nacht in sein Hotelbett wollte, sich leise im Dunkeln auszog, da er seinen Bandkollegen schlafend wähnte, und dort zwei wildfremde, völlig verschreckte Menschen vorfand, die eindeutig etwas dagegen hatten, dass er zu ihnen ins Bett stieg. Nach langem Palaver dank sprachlicher und sonstiger Verständigungsprobleme fand sich des Rätsels Lösung. Unser Hotel hatte einen Zwilling! Es gab tatsächlich eine Straße weiter ein baulich so gut wie identisches Pendant, und unser Protagonist hatte im Wodka-Tran schlicht das falsche erwischt...

FAZIT

Unsere Auslandskonzerte waren immer etwas ganz Besonderes für mich, vor allen Dingen weil wir erleben durften, dass die Menschen, egal in welchem Land, ähnlich auf unsere fröhliche Musik reagierten, trotz der Sprachbarriere, die wir häufig erst mal überwinden mussten. Letztlich hat man uns aber, egal ob im In- oder Ausland, fast überall mit offenen Armen, Herzen und Ohren empfangen, und darüber bin ich heute noch sehr froh.

Letztendlich hatten wir sechs doch so unterschiedlichen Musikermenschen zwölf sehr kurzweilige (manchmal allerdings auch anstrengende), gemeinsame Jahre, in denen wir recht erfolgreich, lustig und auch einigermaßen zivilisiert unterwegs waren und Hunderte von Konzerten vor Tausenden von Menschen gegeben haben. Ich gehe einfach mal davon aus, dass wir alles in allem einen positiven Eindruck hinterlassen konnten. Na, und ein paar Erlebnisse der merkwürdigen Art haben wohl die meisten unserer Zunft zu erzählen, sonst wäre das Musikerleben vermutlich auch ein bisschen langweilig...

InhaltTRENNUNG

Zwölf Band-Jahre waren natürlich trotz aller positiven Aspekte eine sehr lange Zeit, und in dieser Zeit hatten wir uns musikalisch leider immer mehr auseinanderentwickelt. Die Band spaltete sich in zwei klare Lager --- das traditionelle und das moderne. Die eine Seite wollte dem ursprünglichen Konzept und unserem angestammten Publikum treu bleiben (dazu gehörte auch ich), die andere der "Neuen Deutschen Welle" Tribut zollen. Das ging leider nicht allzu lange gut. Die Diskrepanzen wurden stärker, dazu kamen dann auch noch finanzielle Schwierigkeiten, und eine Lösung unserer Probleme war nicht in Sicht. Unser Band-Schicksal war damit besiegelt und wir beschlossen die Trennung, wollten unseren gemeinsamen Weg allerdings nicht einfach sang- und klanglos beenden.

Nach einer wunderbaren Abschiedstournee, die uns fast zu einer Umkehr unseres Entschlusses bewogen hätte, kam 1985 leider das unwiderrufliche und meinerseits zugegebenermaßen tränenreiche Aus.

Unser allerletztes Konzert fand (warum auch immer) in Nordhorn statt. Ich hatte mich schon den ganzen Abend ziemlich zusammenreißen müssen, doch als am Schluss einer unserer Techniker mit einem großen Blumenstrauß zu mir an die Bühne kam, kamen mir die ersten Tränen, und als ich dann auch noch in der ersten Reihe jemand sagen hörte: "Ach, guck mal, sie weint!", war's endgültig vorbei mit der Haltung und das Wasser lief mir nur so aus den Augen. Das letzte Stück habe ich sozusagen nicht gesungen sondern geheult. Ich war sehr traurig, auch wenn mein Leben als einzige Frau unter fünf (mit "Personal" manchmal bis zu zehn) recht eigenwilligen Männern nicht immer ganz leicht war. Aber schön war's doch!

NACHWEHEN

Nach unserer Trennung gab es von einigen Bandmitgliedern noch ein paar etwas halbherzige Versuche, eine neue Formation ins Leben zu rufen, aber diese Versuche waren (leider?) nicht von Erfolg gekrönt. Uns war einfach die musikalische Richtung nicht klar, in die wir hätten gehen können. Und dabei beließen wir es dann auch.

Inhalt2006

Eigentlich hatte ich nach alle dem für mich den Entschluss gefasst, nicht mehr auf die Bühne zu gehen, obwohl der Gedanke an eine Reunion der Gruppe immer mal wieder im Raum stand. Wie man weiß, kam es in der Originalbesetzung auch nie mehr dazu. Doch mehr als zwanzig Jahre nach unserer Trennung, im September 2006, gab es tatsächlich noch mal ein Wiederaufleben der Band für einen Abend. Aufgrund des Erscheinens unserer Live-CD "Wol mich der Stunde" haben wir auf Bitten des Sireena-Plattenlabels ein kleines Promotion-Konzert im Hamburger "Knust" veranstaltet. Zwei Tage vorher haben sich die fünf Jungs zu einer Probe getroffen, am nächsten Tag kam ich dann dazu, und wir haben ein paar Stunden in kompletter Besetzung geübt --- und nach diesen beiden doch ziemlich kurzen Probe-Nachmittagen sind wir einfach mutig aufgetreten. Es sollten nur zwanzig Minuten Programm werden, aber von der Bühne sind wir erst nach fast eineinhalb Stunden gegangen. Es war, als seien wir nie weggewesen, und ich habe mich selten so locker und unbeschwert bei einem Auftritt gefühlt wie an diesem amüsanten Abend. Sicher, wir hatten nichts zu verlieren, es war ja "nur" ein einmaliges Unterfangen, das keinerlei Konsequenzen haben würde, selbst wenn das Konzert gänzlich in die Hose gegangen wäre. Und natürlich sind mir Fehler unterlaufen, und sicher ein paar mehr, als ich es von früher gewöhnt war, aber trotzdem --- für mich war es der Beweis, dass mir eigentlich nichts von meinen Fähigkeiten verloren gegangen ist, obwohl ich seit unserer Trennung im Gegensatz zu meinen Ex-Kollegen nie wieder auf der Bühne gestanden hatte. Musik ist halt wie Radfahren --- man verlernt es nicht...

InhaltMEINE MUSIK

Kurz nach der Trennung von OUGENWEIDE und allem anderen, was damit zusammenhing, habe ich in einer Art musikalischem Emanzipationsanfall einige Lieder geschrieben, die so ganz und gar meine eigenen waren, und die ich unter das Motto "AUSGETRÄUMT" gestellt hatte --- man könnte die daraus entstandene CD also durchaus als Konzeptalbum ansehen.

Irgendwann habe ich dann die schlichten Demo-Aufnahmen, die ich zu Hause auf einem kleinen 4-Spur-Gerät zum Fender Rhodes Piano eingesungen hatte, meinem Ex-Bandkollegen Frank Wulff vorgespielt und bin damit auf Interesse gestoßen. Unser Kontakt zueinander war ja nie abgerissen und die Jungs boten mir sofort ihre Unterstützung an. Die Aufnahmen unter meiner "künstlerischen Ägide" fanden im bandeigenen Studio mithilfe der beiden Wulff-Brothers Frank und Stefan statt, denen ich für ihren technischen und musikalischen Einsatz immer noch mehr als dankbar bin!

Frank kann diese Seite traurigerweise nicht mehr lesen, da er zu unser aller Entsetzen am 19.03.10 verstorben ist. Ein unersetzlicher Verlust für alle, die ihn kannten! Danke, alter Flötenspieler, du warst ein toller Musiker und ein guter (nicht nur musikalischer) Freund! Ich hatte dir immer angedroht, deine Drehleier beim Osterfeuer zu verbrennen, weil ich Drehleiern nicht ausstehen kann --- nun würde ich es zu deinen Ehren tun!

Als Gastmusiker haben der Schlagzeuger Gunther Thoenes (auch ein alter Freund aus Teenie-Tagen) und Ditzi Fischer, der das wunderbare Posaunen-Solo bläst, mitgewirkt. Diese Arbeit war eine ganz neue Erfahrung für mich, bei der ich das erste Mal (beinahe) jeden Ton selbst bestimmen konnte und die mir immensen Spaß gemacht hat.

25 Jahre danach --- Stefan, Minne und Frank 2009

Eine Plattenfirma habe ich damals leider nicht gefunden, vielleicht wäre mein Leben dann etwas anders verlaufen, stattdessen lagen die Bänder jahrzehntelang in der Schublade. Irgendwann gab es zwischendurch noch mal einen Anlauf, sie bei einem Independent Label zu veröffentlichen, aber auch der verlief sozusagen klanglos im Sande, da man dort im letzten Moment einen Rückzieher machte, obwohl man mir bereits per Handschlag eine Zusage gegeben hatte. Die Entschuldigung dafür: meine Musik sei wohl doch zu kommerziell für ein derartiges Label, und ich sei damit bei einer "großen Plattenfirma" wohl weit besser aufgehoben...

Bei dem Konzert im "Knust" 2006 (siehe oben) habe ich einen letzten Versuch gemacht und noch mal eine Demo-CD bei den Jungs von Sireena Records hinterlassen. Ohne erkennbaren Erfolg.

Aber siehe da, im Mai 2009 erreichte mich urplötzlich eine E-Mail des Labels mit dem Vorschlag, meine Musik nun doch noch auf den Markt zu bringen. Fast ein Wunder und ein für mich zwar ziemlich überraschendes, aber nicht minder erfreuliches Angebot!

Auch wenn ich meiner CD den Titel "AUSGETRÄUMT" gegeben habe, ist damit mein Traum in Erfüllung gegangen, wenigstens einmal im Leben eine Solo-Platte zu veröffentlichen.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Und besser spät, als nie!

Alles im Leben hat seine Zeit --- und die Zeit für meine Musik ist anscheinend jetzt!

1986 --- Prost!

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